Ein "Verrückter" aus München
Die Führung hatte
mich meine Negativerlebnisse vergessen lassen. Gut gelaunt brutzelte ich mir mein Mittagessen, als ein von Elke und Wilhelm schon erwarteter Fahrradfahrer eintraf. Christian stellte mit brummigem Gesicht lieblos
sein Fahrrad an den nächsten Baum und begrüßte uns mit unverkennbar bayerischem Ton. Nachdem wir uns bekannt gemacht hatten, erzählte er uns seinen Leidensweg. Er war tatsächlich von München aus mit dem
Fahrrad - nur wenige Kilometer mit der Bahn zurücklegend - nach Marokko geradelt. Zuletzt hatte er in Fes übernachtet, wo er Elke und Wilhelm kennengelernt hatte. Auf dem Campingplatz in Fes - er bezeichnete die
Stadt als „Hölle“ - hatte man ihm die Fahrradpacktaschen samt Inhalt gestohlen. Es lohnt sich, wie ich meine, diese Begebenheit genauer zu beschreiben, um jeden Reisenden zu warnen und zur Obacht zu
ermahnen. Christian hatte eines der röhrenförmig gebauten Einmannzelte, die wirklich gerade nur eine Person beherbergen können. Nachts pflegte er mit dem Kopf zur Zeltöffnung hin zu liegen. Auf Kopfhöhe
standen dann die Packtaschen, gleichsam wie zwei überdimensionierte Ohrenwärmer Der Eingang war von außen aber nicht direkt einsehbar, da die steil nach unten verlaufende Apsis ihn verdeckte. Der Dieb musste also
unter das Zelt gekrochen sein und die Taschen des schlafenden Radlers direkt neben seinem Kopf weggezogen haben. Nicht schlecht, oder? Auch ich konnte beobachten, dass man beim Betreten eines Campingplatzes vom
dortigen Personal erst einmal "taxiert" wurde. Der Gedanke, dass dementsprechend "gute Tipps" an einschlägige Kreise weitergegeben werden, liegt nahe. Also, immer auf der Hut sein! Ähnliches
konnten auch die anderen Mitreisenden berichten. Dem einen wurde ein Schuh gestohlen, dem anderen die Börse. Thomas hatte zum Beispiel sein Portemonnaie in die aufgesetzte Tasche seiner Hose gesteckt und diese
gewissenhaft zugeknöpft. Im dichten Basargedrängel viel es ihm nicht auf, dass jemand blitzschnell mit einem scharfen Messer die untere Taschennaht aufgetrennt und die Börse an sich genommen hatte! Im Nachhinein
war er noch froh, dass er dabei nicht verletzt worden war. Ich hatte übrigens immer eine „Sonderbörse“ relativ locker in der Gesäßtasche meiner Jeans stecken. Mit nur wenig Geld gefüllt würde sich der
Schaden im Verlustfall in Grenzen halten. Die Taschendiebe brauchten sich andererseits nicht auf meine zahlreichen Geheimfächer konzentrieren. Wir hatten aber schon lange wieder soviel Humor entwickelt, um über
derartige Kabinettstückchen zu lachen. Nur Wilhelm hatte endgültig die Nase von Land und Leuten voll. Auch Brigitte und Thomas beschlossen aus Zeitgründen abzureisen. So blieb ich mit Christian zurück.
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