Hohe Luftfeuchtigkeit in Meknes
Ich war also gerade den drei "Fremdenführern" entkommen.
Zugegeben, von dem coolen Weltreisenden war einiges auf der Strecke geblieben. Schweißnass knatterte ich ohne bestimmtes Ziel auf der schmalen Landstraße, ließ mir den warmen Wind um die sicherlich weiße Nase wehen
und spielte ernsthaft mit dem Gedanken Marokko wieder zu verlassen. Doch der blaue Himmel, das heiße aber gleichzeitig angenehme Klima ließen mich weiterfahren, weiter ins Landesinnere. Über Chechaouen kurvte ich
nach Quezzane. Hier tankte ich noch einmal den Roller voll, was mich von dem umständlichen Abladen des Armeekanisters befreite. Die P28, so wird die von mir benutzte Landstraße in den Karten bezeichnet, führte mich
bis zum Col du Zegotta. Vor Erreichen dieses Punktes kam ich noch an einer Unfallstelle vorbei, an der ich mich von dem guten Allgemeinzustand der marokkanischen Fahrzeuge überzeugen konnte: ein Tankwagen mit x-fach
geschweißtem Tank, nur noch einseitiger Beleuchtung und durchgerosteter Karosserie und einem ebensolchen Chassis lag mit durchgerissenen Bremsseilen im Graben. Der Fahrer und einige Feldarbeiter standen grinsend vor
dem Fahrzeug und betrachteten mich wohlwollend. Aufgrund meiner mangelhaften Fremdsprachenkenntnisse konnten wir uns leider nur mit Händen und Füßen verständigen - doch auch diese Methode ist in vielen Fällen,
beiderseitiger Verständigungswille vorausgesetzt, von Erfolg gekrönt. Zur Sprache allgemein: wer nur wegen seiner geringen oder völlig fehlenden Sprachkenntnisse betreffs seines Urlaubsplanlandes eine Fahrt
dorthin unterlässt, ist wirklich zu bedauern. Ist der Konversationspartner nicht bereit, einen verstehen zu wollen, nützen auch beste Kenntnisse der Landessprache nichts. Ich machte mich jedenfalls wieder auf den
Weg. An der Kreuzung der nach Fez führenden Landstraße Nr.4 und der nach Meknes gerichteten Nr.28 nahm mir ein mich schneidender PKW die Entscheidung über die Richtung der Weiterfahrt ab: mein anfänglicher Schlenker
in Richtung Fez endete auf der 28. Die einbrechende Dunkelheit veranlasste mich, schnellstens Meknes anzulaufen, um ja nicht auf diesen eh schon gefährlichen Straßen auch noch nachts fahren zu müssen. Doch diesem
Schicksal sollte ich nicht mehr entkommen. Wer jemals mit einem Motorrad auf marokkanischen Straßen gefahren ist, kann den Grund meiner Fahrtverzögerung leicht verstehen: in vielen Kurven findet sich Rollsplitt oder
von LKW verlorene Ladung in Form von Baumaterialien unterschiedlichster Art. Zudem verzieren nahezu kreisrunde Schlaglöcher von ca. 50-100cm Durchmesser die Asphaltdecke. Über den Ursprung dieser merkwürdigen Löcher
kursieren die unterschiedlichsten Geschichten. Böswillige Stimmen behaupten, diese Löcher seien eigens als Motorradfallen in nächtlichen Sabotageaktionen seitens der Marokkaner in den Boden gemeißelt worden. Mein
kleiner Scheinwerfer war jedenfalls hoffnungslos überfordert, noch dazu bei zügiger Fahrt, die Fahrbahn ausreichend zu erhellen. Mir blieb also nur die Möglichkeit, meine Geschwindigkeit den Bedingungen anzupassen:
20-30 km/h erschienen mir schon fast etwas zu schnell zu sein, zumal die mich überholenden und mir entgegenkommenden Fahrzeuge keine Rücksicht zeigten, sondern stets meine Fahrbahnseite voll mitbenutzten. Dennoch
war meine langsame Kurverei von Erfolg gekrönt. Gegen 22.30 Uhr, am 22.Mai.1985, erreichte ich die Stadtmauern Meknes’. Wer sich für die genauen Örtlichkeiten um und in Meknes interessiert, der sei an die mit
farbigen Bildern geschmückten Reiseführer verwiesen. Nur soviel: Meknes gehört sicherlich zu den reizvollsten Königsstädten Marokkos. Zu diesem Schluss bin ich gekommen, nicht weil in Meknes die schönsten Gebäude
und die feinsten Kunstgegenstände des Landes zu finden sind, sondern weil Meknes vom Massentourismus weitestgehend verschont geblieben ist. Aus diesem Grund wird man hier auch nicht permanent und penetrant von den
schon zuvor genannten Schleppern, Verkäufern und "Studenten" belagert. Diese bleiben hier noch, auch nach energischen Abschüttelungsversuchen, relativ freundlich. Man lebt hier nach dem Motto: "Du
Gauner, ich Gauner, nix Geschäft!" Zurück zu meiner "Landung" in dieser Stadt. In einem Führer hatte ich gelesen, dass Meknes den wohl schönsten Campingplatz Marokkos aufzuweisen hat. Wenigstens
ein Trost nach diesem anstrengenden Tag, so dachte ich damals. Es galt nun diesen Traumplatz aufzusuchen, um endlich die verdiente Nachtruhe finden zu können. Ich fragte also den nächsten Einheimischen nach dem
Campingplatz. Sofort bot sich dieser an, mir den Platz zu zeigen. Da er keinerlei Fahrzeug zur Verfügung hatte, wollte er auf einem meiner Seesäcke platznehmen. Die vor einigen Stunden erlebte Stadtführung durch
Tetouan saß mir noch in den Knochen. Spontan drehte ich am Gasgriff, um dieser weiteren Tagesführung zu entgehen. Der Marokkaner blieb wütend und gestikulierend zurück. Ich versuchte es noch einmal bei einem
Straßenhändler, doch auch dieser wollte mich persönlich führen, keinesfalls bereit, mir den Weg aufzuzeichnen oder sonst wie zu erklären. Ich beschloss, so lange herumzufahren, bis ich den Platz nach dem
Zufallsprinzip gefunden hatte. Nach fünfzehnminütiger Hoppelei über pistenähnliche Dorfstraßen erblickte ich eine mit großen, weißen Kuppelzelten zugestellte Fläche. Freudig schlug ich den entsprechenden Weg ein.
Dort angekommen wurde ich ungläubig bestaunt, erhielt auf meine Frage, ob ich denn jetzt endlich den Campingplatz gefunden hätte, lediglich ein verneinendes Kopfschütteln. Ich konnte auch nach längerem Suchen und
Spähen kein europäisch anmutendes Zelt oder gar Wohnmobil entdecken. Sollte ich etwa der einzige mit einem Zelt ausgerüstete Urlauber sein? Und vor allem: wer waren die geheimnisvollen Bewohner der Kuppelzelte?
Ich wendete meinen Roller und verließ diesen mir Rätsel aufgebenden Ort. In einer Seitengasse unterhielten sich gerade angeregt zwei in feine, kunstvoll bestickte Gewänder gehüllte Mädchen. Und siehe: mit charmantem
Lächeln wiesen sie mir den Weg, zeichneten einige unmissverständliche Linien in den Sand und erfreuten sich sichtlich meiner Anfrage. Sollte es doch noch jemand gut mit mir gemeint haben?
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