Die freie Improvisation, oder die hohe Kunst des Schweißens
Den nächsten Tag verbrachte ich mit dringend
notwendigen Wartungsarbeiten. Der Reifen war mit einer Laufleistung von gut zehntausend Kilometern überfällig. Der Gepäckträger, den ich aus Sicherheitsgründen schon in Spanien an den neuralgischen Punkten
hatte nachschweißen lassen, hatte sich stark unter der Last der beiden Kanister infolge der Pistenfahrt verbogen. Mit meinem Dolmetscher Christian fuhr ich nach Ar-Rachidia, um den Träger schweißen zu lassen. Die
Beschreibung des sich hier abspielenden Schauspiels sei als Mahnung für all jene gedacht, die da meinen, man könne kleinere Anpassungen des Trägersystems auch unterwegs vornehmen Belastungen aushalten. Zur
Reparatur nur soviel: drei Männer arbeiteten dreieinhalb Stunden am Gepäckträger. Zuserst demontierten sie den Träger, richteten ihn und schweißten diverse Zusatzstreben und Verstärkungen an. So weit, so gut!
Aber leider hatte sich die gesamte Konstruktion durch die starke Erhitzung und das Richten soweit verzogen, dass er in keiner Weise mehr zu montieren war! Sie gingen kurzerhand dazu über, ihn in mehrere Teile zu
zersägen und ihn durch mehrere zusätzlich eingeschweißte Distanzstücke wieder passend zu machen. Zuletzt hatte ich einen Gepäckträger, der durch Klobigkeit aber auch Stabilität zu überzeugen wusste –
allerdings auch um einiges gewichtiger, als die Basisausführung - und alles für nur sechzig Dirham (ca. DM 18,-)! Nach diesen Strapazen gönnten wir uns ein ausgiebiges Mal, mit der Konsequenz, dass Christians
Magen nicht mehr mitspielte: ihm war schlicht übel.
Das richtige Pülverchen zur „schlechten“ Zeit
Glücklicherweise war ich
mit den wichtigsten Medikamenten eingedeckt, so dass ihm schnell geholfen werden konnte. Aufgrund der geringen Zulademöglichkeiten auf Christians' Fahrrad, war seine spartanische Ausrüstung verzeihbar.
Unverständlich war mir allerdings, dass viele Reisende, die mit Motorrädern oder gar Autos unterwegs waren, ebenfalls häufig ohne Medikamente, Ersatzteile und Werkzeug anzutreffen waren. Wenigsten sollte man
(allerdings auch als Radfahrer) die wichtigsten Arzneien mitführen. An welchen Krankheiten leidet man am meisten? Magen- und Darmleiden, Kopf- Zahn- und Gliederschmerzen, Grippe, kleinere offenen Wunden und
ähnliches sollte man schon autodidaktisch versorgen können. Der eigene Hausarzt gibt hierüber (hoffentlich) gerne Auskunft und empfiehlt die richtigen Medikamente. Man sollte zusätzlich darauf achten, dass die
diversen Tabletten und Zauberpülverchen lange genug haltbar sind und auch nicht durch höhere Temperaturen geschädigt werden. Packungshinweise wie zum Beispiel „Bitte nur im Kühlschrank aufbewahren!“,
verbieten natürlich die Mitnahme in wärmere Gegenden. Uns erschien es jedenfalls ratsam zu sein, diesen und den nächsten Tag in aller Ruhe zu verbringen. Schließlich sollte meine und Christians Reise auch
Elemente eines „klassischen“ Urlaubs, wie Ruhe, Entspannung und Erholung, aufweisen.
Von Fliegen und anderen "Wüstentieren"
Wir schlürften kühle Getränke im
am Pool gelegenen Restaurant, erfrischten uns im Wasser, um uns anschließend von der Sonne trocknen zu lassen. Ansonsten entsagten wir an diesen beiden Tagen der landestypischen Küche. Wozu hatten wir schließlich
unsere Kocher? Am Verzehr der selbstbereiteten Speisen hinderten uns bisweilen zahlreiche Fliegen. Die Tiere waren derart zutraulich, dass man Mühe hatte, die auf einem Löffel befindliche Nahrung ohne darauf
sitzendes „Geflügel“ zu verspeisen. Das scharenweise Auftreten dieser Insekten hatte allerdings einen naheliegenden Grund. Kaum einen Steinwurf von meinem Zelte entfernt, hatte man ein junges Kamel
festgebunden. Dieses possierliche Tier war natürlich von zahlreichen Fleigen belagert. So gehörte es zu meinem morgentlichen "Aufstehritus", das Kamel streichelnd und kraulend zu begrüßen und ihm dabei
von den ca. tausend kreisenden Fliegen gut die Hälfte abzunehmen. Wir teilten quasi den Insektenvorrat brüderlich auf. Erwähnenswert erscheinen mir auch die dort gastierenden Riesenameisen zu sein. Kaum hatte man
etwas seiner Mahlzeit unachtsamerweise verschüttet, marschierten sie auch schon an. Um die Größe dieser Tiere im Bild festzuhalten, lockte ich eine Ameise mitten auf meinen Esslöffel. In der Tat hatte diese
Ameise die Ausmaße eines kleineren Bratenstückes. Da ich diesen Tieren jedoch wohlgesinnt war, ließen sie mich mit ihrer doch recht unangenehm brennenden Säure zumeist in Ruhe. Nur hin und wieder, wenn ich ihnen
nicht die nötige Aufmerksamkeit zukommen ließ (zum Beispiel nachts im Schlafsack), kamen sie nicht umhin, in ihrer Not einige warnende Spritzer abzugeben. Wer also gleich bei dem Anblick einer kleinen Spinne,
einer dicken, grünen, unappetitlichen Fliege auf dem Essensteller oder bei der Begegnung mit einigen recht merkwürdig aussehenden Käfern in hysterisches Geschrei und wilde Panik auszubrechen pflegt, dem kann ich
von einem Campingurlaub in Marokko nur abraten. Die Angst vor Skorpionen und ähnlich giftigen Gesellen scheint mir hingegen weitgehend unbegründet zu sein. Ich drehte stundenlang Felsbrocken in der Steinwüste
rund um Meski um, fand aber erst kurz vor Abbruch meiner Suche einen kleinen Skorpion.
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