Nächtliche Inspektion der Toilettenhäuschen - oder Hollywood in Meknes?
Gegen zwei Uhr nachts wurde ich
wach. Dauerregen prasselte auf mich ein und fachmännisch erkannte ich, dass eine sofortige Flucht in ein überdachtes Gebäude den Schaden auch nicht mehr schmälern konnte. Durch meine totale Übermüdung hatte
ich den Übergang von der Nieselei in starken Platzregen schlicht verschlafen. Da lag ich nun im fernen Afrika auf freiem Felde, über mir ein pechschwarzer Himmel, der alle Schleusen geöffnet hatte. Der neue Tag,
gerade zwei Stunden alt, hatte also prächtig begonnen. Die Temperaturen waren ebenfalls drastisch gesunken und mussten sich bei ca. 13 Grad über dem Gefrierpunkt befinden. Nachdem ich aus meinem
"Wassersack" geklettert war und nach einem Unterstand Ausschau hielt, diagnostizierte ich: Körperkleidung völlig durchweicht, Schlafsack bei weiterem Sonnenmangel für mehrere Tage unbrauchbar, die auf
meinem Roller verbliebenen Seesäcke ebenfalls durchnässt. Somit hatte ich keine Möglichkeit meine Kleidung zu wechseln. Am ganzen Körper vor Kälte und Wut zitternd, schleppte ich mich und meinen Schlafsack in
die überdachten Wasch- und Toilettenräume. Dort wrang ich den Sack aus und hängte ihn zum "Trocknen" über einen dort befindlichen riesigen Mülleimer. Um nicht total durchzufrieren begann ich mit
einigen Freiübungen. Gerade als ich mich wieder einigermaßen aufgewärmt hatte, betrat ein mit dicker Jacke und Wollmütze! bekleideter Marokkaner mein neues Zuhause. Der Inhalt des sich anschließenden
"Zeichengesprächs" lässt sich wie folgt zusammenfassen: wenn ich es wünschte, so würde er mir eine Decke bringen. Ich erfuhr, dass er der Nachtwächter war, dass das Wetter bald wieder besser würde
und dass ich ruhig in die Stadt gehen sollte. Dort wäre irgend etwas, das mit Filmen zu tun hätte. Er malte mir eine Art Leinwand in den nassen Sand, die der eines Autokinos nicht unähnlich war. Doch ein Autokino
in Marokko? Ich beschloss das Ende des Regens abzuwarten, um dann einige Erkundigungen dahingehend anzustellen. Fast zwei weitere Stunden musste ich mir die Zeit mit sportlichen Einlagen vertreiben, bis endlich
der vorletzte Tropfen vom Himmel fiel. Ich durchschritt einige Gassen von denen mir eine sofort wieder bekannt vorkam. Hier hatte ich noch vor wenigen Stunden den Straßenhändler nach dem Weg gefragt, keine 200
Meter vom Campingplatz entfernt. "So ein Sack", schoss es mir noch nachträglich durch den Kopf. Entlang der von Muley Ismail erbauten (natürlich hat der Sultan nur den Befehl zum Bau gegeben, keinesfalls
selbst Hand angelegt) Stadtmauer lenkte ich meinen Weg in Richtung Altstadt. Da entdeckte ich auch den Platz mit den weißen Rundzelten wieder. Zu meinem großen Erstaunen war eines der großen und prächtigen
Stadttore in gleißendes Halogenlicht getaucht und eine große Schar Marokkaner in abenteuerlicher Kleidung rannte wild durcheinander. Die Altstadt schien einem Ameisenhaufen zu gleichen. Mein anfängliches
Erstaunen legte sich schnell, war doch nicht einmal die Kombinationsgabe eines Sherlock Holmes gefordert, Licht in dieses Treiben zu bringen. Hier wurde lediglich einer der zahlreichen in unseren Kinos zu
bewundernden Abenteuerfilme gedreht. Als Statisten hatte man die Berber mit ihren Typischen Zelten gewinnen können, die aber wohl mit dieser Aufgabe etwas überfordert schienen. Der Regisseur schrie unablässig
durch ein Megaphon seine Kommandos, doch wurden diese entweder falsch, zu spät oder gar nicht ausgeführt. Dieser Spaß entschädigte mich gänzlich für die gestörte Nachtruhe. Auch die große Anzahl der Akteure
und Zuschauer gab mir keine Rätsel mehr auf: ich befand mich schließlich zu einer relativ ungünstigen Zeit, zur Zeit des Ramadan, des Fastenmonats, in Marokko. Während dieser Zeitspanne ist es den Muslime nur
nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang erlaubt, für leibliche Genüsse wie Essen, Trinken und Rauchen zu sorgen. So verwunderte es mich auch nicht, dass selbst kleine Kinder noch um 4 Uhr morgens auf der
Straße spielten.
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