Worin wir lernen einen Plan zu fassen!
Während meiner sechsmonatigen Bundeswehrzeit (ich hatte nach der Grundausbildung einen
Kriegsdienstverweigerungsantrag gestellt) fasste ich eine ungewöhnliche Reise ins Auge. Ein fernes Land sollte es schon sein; ein Land, das Abenteuer verspricht, ein Land mit einem gänzlich anderen Kulturkreis.
Frankreich, Jugoslawien und Spanien, Länder die ich mehr als einmal bereist hatte, konnten meine Ansprüche dieses Mal nicht befriedigen. Asien, Amerika, Afrika - klangvolle Namen, die mir oft durch den Kopf
gingen. Doch nur einiger sachlicher Überlegung bedurfte es, um Amerika und Asien auszuschließen: der Urlaub sollte schließlich auch noch finanzierbar bleiben. Fluganreisen oder lange Fähretappen waren nicht
machbar. So entschied ich mich recht schnell für den Norden Afrikas, für Marokko.
Das Studium diverser Reiseführer bestärkte mich in der Wahl meines Reiselandes. Grünflächen, Bergpässe, Schluchten,
Oasen und letztlich die endlose Sahara versprachen landschaftliche Abwechslung. Dazu verhieß die bemühte Literatur eine beispielhaft gastfreundliche Bevölkerung. Eltern, Freunde und Bekannte hielten meine Idee
zweifelsfrei für einen nicht ernstzunehmenden Spleen. Als dann die ersten Landkarten Marokkos die Wände meines Zimmers schmückten und sich "Survival"-Literatur auf meinem Schreibtisch stapelte, wurden
die Blicke meiner Eltern immer ängstlicher. "Der Junge wird doch wohl nicht wirklich nach Marokko fahren wollen? Ist das Motorradfahren nicht so schon gefährlich genug?" - Mit allen Überredungskünsten
versuchte man mich von dieser Tour abzuhalten. Als ich schließlich auch noch die Warnungen afrikaerprobter Bekannter in den Wind schlug, schien festzustehen: "Der Junge fährt wirklich!" Nachdem ich
meiner Mutter versprochen hatte, mich auch vom letzten Saharazipfelchen telefonisch zu melden, glätteten sich die Wogen der Angst allmählich. Zudem wollte ich wöchentlich kurze Reiseberichte an den Lokalteil der
Westdeutschen Allgemeinen Zeitung schicken und auf diese Weise den interessierten Freundes- und Bekanntenkreis auf dem Laufenden halten. Sollten dann plötzlich keine Artikel mehr erscheinen, so konnte man vermuten,
dass sie auf dem postalischen Wege verloren gegangen sein mussten, meine schriftstellerischen Fähigkeiten dem Lokalchef nicht mehr genügten oder etwas anderes...
Ein Anruf bei der marokkanischen Botschaft
brachte Aufschluss über die nötigen Formalitäten, die bis zur Grenzüberschreitung geklärt sein wollten: Um einreisen zu können, reichte ein für mindestens drei Monate gültiger Reisepass und eine für
Marokko gültige grüne Versicherungskarte für das Fahrzeug. Weder ein Visum, noch ein internationaler Impfpass waren erforderlich (1985!). Interessante Informationen zu allen "Marokkofragen"
erhält man vom staatlichen marokkanischen Fremdenverkehrsamt. So kann man sich z.B. Kurzbeschreibungen der wichtigsten Städte Marokkos mit Stadtplänen kostenlos zuschicken lassen.
An all diese rein
theoretischen Vorbereitungen schloss sich ein praktischer Teil an: Da ich zum ersten Mal eine derartige Tour vor mir hatte, musste ich mir vorab eine komplette Ausrüstung zulegen. Nach wochenlangen
Preisvergleichen und Rennereien hatte ich vom Seesack bis zum Expeditionszelt alles beisammen. Nicht zu kurz kommen sollte auch der unangenehmste, der medizinische Teil. Seit langem schon quälten mich meine zu
Entzündungen neigenden Weisheitszähne: "alle Viere" ließ ich mir vorsorglich entfernen. Überhaupt wurde mein Beißapparat gründlich restauriert. Die Vorstellung, mit Zahnschmerzen in Gluthitze fahren
zu müssen, half mir dabei die schon sprichwörtliche Angst vor dem Zahnarzt zu überwinden. Auf Anraten meines Hausarztes verzichtete ich auf umfangreiche Impfungen. Wer sich jedoch mit Schutzimpfungen wohler
und sicherer fühlt, dem kann ich sie nur wärmstens empfehlen, zumal die hygienischen Zustände (sofern man sich nicht in Sterne-Hotels aufhält) in Marokko nicht jedermanns Sache sind, wie ich später noch
feststellen sollte. Ich für meinen Teil beschränkte mich auf die regelmäßige Malariaprophylaxe, obwohl auch die nicht unbedingt notwendig erscheinen mag. So gingen Wochen und Monate ins Land, nur der
Tag der Abfahrt war noch nicht festgelegt. Ich träumte derweil von einsamen Gestaden und endlosen Wüsten. Nebenbei hatte ich einen Ausflug in die spanische Sierra Nevada fest eingeplant, der ein voller Erfolg
werden sollte. Wie sollte ich nur die bis jetzt noch in der ganzen Wohnung verteilte Ausrüstung auf meinem Roller unterbringen? - Was, ein Roller? Die Wahl des Fahrzeugs fiel mir leicht. Erst vor sechs Monaten
hatte ich mir eine neue Vespa PX 200 E Lusso zugelegt. Ein Verkauf hätte für mich einen erheblichen finanziellen Verlust bedeutet, zumal mir für eine hubraumstarke Enduro sowieso das nötige Kleingeld fehlte.
Mit Lampen- und Blinkergittern, einem Front- und einem Heckgepäckträger, Windschutzscheibe, rechtem Außenspiegel und letztlich einem Ersatzrad rüstete ich den Roller für die große Tour.
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