Afrikanische Sonne
Nachdem ich das Filmspektakel ausgiebig genossen hatte, beschloss ich, wieder den
durchweichten Campingplatz aufzusuchen. Den Rückweg hatte ich mir natürlich genau eingeprägt, um ja nicht noch einmal nachfragen zu müssen. Ich schnallte erst einmal alle kladdernassen Seesäcke vom Roller, fest
entschlossen, die fehlende Gemütswärme durch eine heiße Suppe auszugleichen. Hier zeigte sich die Güte der Verpackungskünste: alle Fertigsuppenbeutel befanden sich in makellosem, sprich trockenem Zustand. Sie
waren liebevoll zu kleinen Päckchen gebunden und diese wasserdicht in Klarsichtgefrierbeuteln verstaut. Gleiches galt auch für meine mitgeführten Kleidungsstücke. Diese hatte ich in besonders stabile und
reisfeste Kunststoffsäcke, die in Baumärkten zu erhalten sind, gesteckt. Somit kleideten diese Bausäcke meine Baumwollseesäcke wasserdicht aus. Mein Schaden lag somit weit unter meinen Befürchtungen. Ich
setzte meinen kleinen Benzinbrenner mit der eingebauten Pumpe unter Druck, ließ Benzin überlaufen, das sich in einer Rinne unter der Düse sammelte, entzündete dies und erhöhte auf diese Weise den Druck im
Brennertank. Gleichzeitig brachte dieses "Vorfeuer" die Düse auf die nötige "Benzinvergasungstemperatur". Die sich sonst bei diesem Schauspiel einfindenden Zuschauer blieben dieses Mal aus.
Schließlich zeigte die Uhr gerade fünf an. Als mir endlich der Geruch des Süppchens in die Nase stieg, stieg auch meine Laune. Dabei kann man mich gewöhnlich mit Suppen jagen! Es war wohl auch weniger der
Geschmack, als vielmehr die wohltuende Wärme, die für mein Frohlocken sorgte. Die nächste Viertelstunde verbrachte ich mit der Zelterrichtung. Wie wenig Arbeit - und wie viel Ärger hätte sie mir Erspart!
Merke: Faulheit zahlt sich niemals aus, nicht einmal im Urlaub! Zu meiner Freude zeigten sich die ersten Sonnenstrahlen und die Bewölkung lockerte sich allmählich auf. Was lag näher, als die Umgebung noch einmal
bei Tageslicht unter die Lupe zu nehmen? Den Roller ließ ich natürlich auf dem Platz zurück. Ein Eindringen mit solch einem Gefährt in eine marokkanische Medina (alte islamische Stadtteile; "Altstadt",
in der das "nichteuropäische" Leben spielt), ist nämlich wirklich niemandem zu empfehlen. Als ich diese engen Gassen mit all ihren Verzweigungen und Winkeln erblickte, erstaunte ich doch sehr, dass ich
am Vortage bei meiner Campingplatzsuche diesem Labyrinth entkommen war. Da ich durch den Basar in Tetouan schon "abgehärtet" war, konnte ich mich hier wesentlich freier und mutiger bewegen. So schnell
wollte ich mich nicht wieder von einem x-beliebigen Händler oder Führer ausnehmen lassen. Es gelang mir sogar das Treiben um mich herum zu genießen und dort, wo es mich befremdete, mit der nötigen Gelassenheit
hinzunehmen. Wahrhaftig: ich machte große Fortschritte im Umgang mit den Nordafrikanern und ihrer Mentalität. Während ich den Rückweg antrat kam dennoch der Wunsch nach baldiger Abreise in mir auf. Die
Übermüdung, die unbeschreiblichen Eindrücke dieser anderen Welt und nicht zuletzt die vielen menschlichen Enttäuschungen, die ich in diesen zwei Tagen gemacht hatte, waren wohl etwas zuviel. So wird es jeder
Leserin und jedem Leser einleuchten, dass die negativen Eindrücke die positiven klar überflügelten und für ein Stimmungstief sorgten. Auf dem Platz angekommen, erblickte ich mein Zelt: und schon wieder packte
mich das Entsetzen! Der von mir über das Zelt gelegte Schlafsack war nicht mehr zu sehen! Mein Entschluss stand sofort fest: Moped packen und ab nach Spanien! Zuerst besuchte ich aber meine Bremer Nachbarn, die
sich gerade ihr Frühstück bereiteten. Meine Story vom entschwundenen Schlafsack konnte sie lediglich zu einem Schmunzeln bewegen: "Den Sack haben wir über den Rammschutz unseres Geländewagens gehängt! Da
wird er wohl schneller trocknen als auf deinem nassen Zelt!" Vor Freude machte ich natürlich einen Luftsprung; mein geliebter Schlafsack war noch da und dazu die erste freundliche Geste am frühen Morgen.
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